Aus dem Zimabwe Netzwerk Rundbrief Nr. 51

Ruth Weiss:

ZIMBABWE QUO VADIS?

Ein Leben ohne Bob - das wünschen sich Zimbabwer und Zimbabwerinnen.
Ein Leben ohne den Monopolanspruch der ZANU-PF auf Macht, Privilegien und Reichtum. (Stand: 26. Mai)

Ob das die zweite Präsidentenwahl am 27. Juni, drei Monate nach der ersten, bewerkstelligen kann, bleibt noch dahingestellt. Inzwischen hielt sich der Gewinner der ersten Wahl, Morgan Tsvangirai, Führer des Movement for Democratic Change (MDC), länger im Ausland auf, nicht nur, um mit afrikanischen Führern über die Krise in seinem Land zu konferieren, sondern auch, weil seine Person stark gefährdet war. Nicht ohne Grund: Seine Anhänger wurden seit dem MDC-Sieg in der Parlaments- und der ersten Präsidentschaftswahl am 29. März von Strukturen der ZANU-PF-Partei des Präsidenten Robert Mugabe vertrieben, geschlagen und ermordet. Staatsgewalt gegen die eigenen Bürger - genannt "Umerziehung, da sie verkehrt gewählt haben" - hat bis zu Tsvangirais Rückkehr am 24. Mai über 48 Tote gefordert sowie Hunderte Verletzte, Tausende Vertriebene inner- und außerhalb des Landes. Vor allem Lehrer, die als offizielle Wahlbeobachter eingesetzt waren, sowie freiwillige Wahlbeobachter, natürlich angebliche MDC-Anhänger, werden von Terrorbanden - ZANU-PF-Jugendliga, sogenannten Kriegsveteranen, auch Soldaten und Polizisten - terrorisiert. Präsident Mugabe erklärt hingegen, die MDC hätte eine Terrorkampagne gegen ZANU-PF-Anhänger begonnen, wobei er unabhängige Zeugen des Terrors seiner eigenen Partei, wie Diplomaten oder eine südafrikanische Delegation, ignoriert.

Inflation und Vertreibung

Und dies geschieht in einem Land, in dem die Kraft jedes Einzelnen täglich eingesetzt werden muss, um die einfachsten Mechanismen des Lebens zu bewältigen, angesichts der Hyperinflation - offiziell 165 000%, inoffiziell eine Million Prozent - der leeren Ladenregale, der fehlenden Kaufkraft. Vier von fünf Personen leben unter dem Armutsminimum, mit Zim-Dollar wird weniger gehandelt als mit US-Dollar.

Blendend funktioniert nur der Schwarzmarkt. Alles ist zu haben, erklärte ein Besucher zur Zeit der Wahlen. Man muss nur wissen wo. Und das nötige Geld dafür haben. Doch weil die dörflichen Bewohner nicht in diese städtischen informellen Netzwerke eingeweiht sind, nützen ihnen die Millionen wenig, die sie für Produkte wie Gemüse auf den Märkten erhalten, wenn sie dafür Ware in leeren Läden einkaufen wollen. Machen sie sich kundig und versuchen, für ihren Lebensunterhalt einzukaufen, ist der Preis bereits wieder erhöht. Dadurch schon hat ZANU-PF an Beliebtheit in ländlichen Bezirken verloren. Nur die Tabakfarmer erhielten Sonderchecks für ihre hohen Gewinne, die sie einlösen und damit einkaufen können.

Die Flucht anderer Zimbabwer nach Südafrika, die innerhalb der verzweifelten Wochen ohne Wahlergebnis erneut eingesetzt hatte, wurde jäh unterbrochen, als die Slumbewohner in Alexandra-Township in Johannesburg von Xenophobia übermannt wurden und tödliche Menschenjagden auf "Ausländer" begannen. Die Unruhen breiteten sich aus und bis zum 25. Mai wurden 50 Tote beklagt, 17.000 erleben eine erbärmliche Existenz im Schutz von Polizeistationen und Kirchen. Die Polizei bat dabei die Armee um Unterstützung. Der Fluss von südafrikanischer Währung nach Zimbabwe der in Südafrika arbeitenden Flüchtlinge ist durch die grausigen Ereignisse beeinflusst und damit der Lebensunterhalt vieler Familien.

Zuckerbrot und Peitsche

Kein Wunder, dass die Wahlstrategie der ZANU-PF auf beiden Pfeiler basiert: Zuckerbrot und Peitsche - Nahrungszufuhr und Einschüchterung. Wähler dürfen nicht hungrig zu den Wahlurnen gehen, erklärte ihr Sprecher Nathan Shamuyarira. Außerdem seien die Wähler des Sieges der ZANU-PF zu "sicher" gewesen, diesmal müssten sie überzeugt werden zu wählen. Polizisten wurde bereits befohlen, unter Aufsicht ihrer Offiziere per Briefwahl Mugabe zu wählen.

Die Angst vor Repressalien und die Gewissheit, eine ZANU-PF-Karte bedeutet Nahrungsmittel, sind recht überzeugend. Außerdem: Die durch Terror Vertriebenen können in ihren Bezirken nicht mehr wählen. Und es gibt keine Maßnahmen, die es jedem Wähler ermöglichen, in jedem Bezirk zu wählen. Das sollte theoretisch erlaubt sein, da es um eine Präsidenten- und keine Lokal- oder Parlamentswahl geht.

Klammern an der Macht

Inzwischen hat das Land keine Regierung. Mugabe, der seine Wahlkampagne am 25. Mai mit Anklagen gegen die USA und den US-Botschafter in Zimbabwe begann, kann vor der Neuwahl kein Kabinett ernennen, die neuen Lokalverwaltungen, Senat oder Parlament können nicht zusammengerufen werden. Zwar wurde von einer Lösung gemunkelt, die zu einem Abkommen zwischen ZANU-PF und MDC führen könnte, doch Tsvangirai stritt das bei seiner Rückkehr ab. Eine Regierung der nationalen Einheit - ohne Robert Gabriel Mugabe - wäre in der Tat nur eine vorübergehende Lösung. Diese müsste allerdings eine Art Amnestie für Armee, Polizei und Geheimdienst einschließen, denn es scheint, als ob die Oberbefehlshaber dieser Strukturen für die Anarchie der letzten Wochen verantwortlich sind. Mugabe sei bereit gewesen aufzugeben, heißt es, doch die Chefs, die von seiner Politik profitiert hatten, waren nicht bereit, ihre Pfründe zu verlieren und zwangen den Präsidenten weiter zu machen. Dank Mugabe genießen sie einen großartigen Lebensstil - warum sollten sie riskieren, diesen zu verlieren?

Politische Aussichten

Das ist die eigentliche Gefahr: Sollte trotz allem das Volk ein zweites Mal "verkehrt" wählen (und Mugabe also versagen), besteht die Gefahr eines gemeinsamen Putsches der Sicherheitschefs - wenn nicht sogar eines Bürgerkrieges.

Und wenn er gewinnt? Die ZANU-PF hat keine Mehrheit im Parlament. Die MDC-Fraktionen haben beschlossen zusammenzuarbeiten, ein Unabhängiger, Jonathan Moyo, schließt sich an. Bislang, vor drei neuen Bezirkswahlen, heißt das, dass die ZANU-PF nur 97 und die MDC 110 Sitze hat. Und doch: Selbst mit einer derartigen Minderheit könnte Mugabe weitermachen. Er könnte ein Minderheitskabinett ernennen und das Parlament umgehen. Nur für einen Budgetabschluss bräuchte er die Parlamentszustimmung, könnte selbst diese umgehen mit Hilfe der Zentralbank, die ihm Geld für den Verwaltungsapparat geben könnte.

Geht es nicht anders, könnte er laut Verfassung das Parlament auflösen, um sechs weitere Monate allein zu regieren. Nach der Verfassung müsste ein Nachfolger von Parlament und Senat gemeinsam gewählt werden. Mugabe könnte also zurücktreten und einen von ihm erwählten Nachfolger durch diese Strukturen einsetzen.

Die Zusammensetzung des Senats würde das ermöglichen. MDC und ZANU-PF haben je 30 gewählte Senatoren. Die übrigen 33 Sitze werden folgendermaßen besetzt: 10 Gouverneure der Provinzen sowie fünf weitere Senatoren, bestimmt vom Präsidenten, und 18 Häuptlingssitze.

Der Gewinner bestimmt also über 15 Senatssitze. Gewinnt Tsvangirai, würde das für die MDC wohl 45 Sitze geben, da die traditionellen Führer stets Mugabe unterstützten. Gewinnt Mugabe, hätte die ZANU-PF eine Senatsmehrheit mit 63 gegenüber 30 Sitzen der MDC. Wenn Mugabe dann seinen Rücktritt verkündet, würde also die ZANU-PF insgesamt über 160 Parlaments- und Senatssitze verfügen gegen 140 der MDC. Wenn dieses Szenario eintritt, könnte der Mugabe-Nachfolger das Parlament auflösen und Neuwahlen verkünden.

Eine Horrorvorstellung. Aber ebenfalls Horrorvorstellungen sind folgende: dass Mugabe, wie gesagt, einen Ausnahmezustand erklärt und/oder die Sicherheitschefs die Regierung übernehmen.

Zimbabwes Zukunft sieht ohne eine Regierung der nationalen Einheit nicht rosig aus.

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